Russlandkontakte, Wahlbetrug, Geldwäsche: 17 Ermittlungsverfahren kreisen inzwischen um US-Präsident Donald Trump. Die Fahnder wenden dabei Methoden an, mit denen sie sonst die Mafia jagen.
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Donald Trump
Michael Cohen ist zu den Akten gelegt. Wortwörtlich: Unter den letzten Dokumenten, die das Gericht ins Archiv gab, nachdem es Donald Trumps Ex-Privatanwalt zu drei Jahren Haft verurteilt hatte, ist ein vierseitiger Einziehungsbeschluss. Dort steht, dass Cohen – neben seiner Gefängnisstrafe – zudem 500.000 Dollar zurückzahlen muss.
In Paragraf 3 sorgt Richter William Pauley dafür, dass das Geld auch an die rechte Adresse geht: „Büro des US-Staatsanwalts für den Bezirk New York Süd, Abteilung Geldwäsche und organisiertes Verbrechen.“
Das ist kein Schreibfehler. Der Fall Cohen, Aktenzeichen Nr. 18 Cr. 602 (WHP), wurde vom legendären Mafia-Ressort der New Yorker Staatsanwaltschaft betreut. Das sagt einem alles über Cohen, den sie Trumps Consigliere nannten. Und über seinen damaligen Chef, dessen „Schmutztaten“ Cohen ausgeputzt haben will – den US-Präsidenten.
Die US-Justiz behandelt Donald Trump und seinen Dunstkreis wie eine kriminelle Vereinigung, nur ohne die Morde. Geduldig graben sich die Fahnder in den Zirkel der Macht vor, von außen nach innen, überführen erst kleine, dann immer größere Gangster, machen sie zu Zeugen der Anklage, um am Ende, so der Plan, vielleicht den größten Gangster zu fangen.
Insgesamt 17 Ermittlungsverfahren kreisen inzwischen um Trump, es geht um Geldwäsche, Korruption, Betrug, Steuerhinterziehung – alles Straftatbestände, die auch Mafiosi schon oft zum Verhängnis wurden.
Immer mehr Amerikanern dämmert es, dass sie von einem Mann regiert werden, der sich, um es milde auszudrücken, jahrzehntelang mit Gaunern, Schurken und Halbweltgestalten umgab. Dass sie das irgendwie ahnten, wenn nicht wussten, doch darüber hinwegsahen. Dass sie alle Komplizen sind.
Welcher Dominostein kippt als nächster?
Trumps Familie, Trumps Freunde, Trumps Firma, jeder ist im Netz verstrickt. Und fast jeder „kooperiert“, kaum ist die Anklage zugestellt. Cohen, Ex-Sicherheitsberater Mike Flynn, Ex-Wahlkampfchef Paul Manafort, Ex-Vizewahlkampfchef Rick Gates, Ex-Wahlkampfberater George Papadopoulos: Welcher Dominostein kippt als nächster?
Von außen nach innen, von unten nach oben: Insider sprechen vom „Rico-Drehbuch“. „Rico“ steht für Racketeer Influenced and Corrupt Organizations Act, ein US-Gesetz von 1970, das es leichter machte, komplexe Verbrecherbanden aufzurollen, indem es alle Mitglieder gleich hart belangt. Gerade Unterlinge, damit die plaudern – „flippen“.
Diese Taktik hat sich bewährt in langen Jahren des Kampfes gegen die Mafia und ihre US-Dependancen. So schnappten sie etwa John Gotti, den Boss der New Yorker Gambino-Familie, der von seinem Henker Sammy Gravano an die Klinge geliefert wurde. „Ratte“ heißt so einer wie Gravano im Mafia-Slang. „Ratte!“, tobt Trump nun über Cohen.
Verfahren nach dem „Rico-Drehbuch“
Der Staatsanwalt, der Gotti hinter Gitter brachte, hieß übrigens Robert Mueller. Als Mafia-Fahnder und später als langjähriger FBI-Chef lernte Mueller das „Rico-Drehbuch“ in- und auswendig. Kein Wunder, dass die Verfahren, die er jetzt als Russland-Sonderermittler anstößt, demselben Script folgen. „Mueller hat das sein verdammtes Leben lang so gemacht“, sagte ein ehemaliger FBI-Agent dem Magazin „Vanity Fair“. „Er buddelt sich durch die Schichten, bis er auf die Wahrheit stößt.“
Kann das noch Zufall sein? Ist das wirklich eine „Hexenjagd“? Sind die, die sich da schuldig bekennen, unschuldige Opfer einer Verschwörung?
Trump nennt sie wahlweise Helden oder eben „Ratten“. Das richtet sich wohl danach, was er von ihren Geständnissen befürchten muss.
Michael Cohen, der mit Gangsterfiguren aus Russland und der Ukraine verkehrte und Trumps geheimste Geheimnisse kennt, verbrachte als Kronzeuge 70 Stunden im Verhör mit Mueller. Er ist für Trump also eine „Ratte“, dem er öffentlich die Höchststrafe an den Hals wünschte.
Trumps Ex-Wahlkampfchef Paul Manafort dagegen, dem lebenslange Haft droht, ist ein „guter Mensch“, da er bisher offenbar nur zögerlich aussagte. Und seinem Ex-Sicherheitsberater Mike Flynn rief Trump „viel Glück vor Gericht“ zu – bevor der Richter Flynn verdonnerte, noch drei Monate länger zu singen über seine illegalen Russland-Kontakte.
Haarsträubende Eingriffe in die Justiz
Trumps Tweets sind nicht nur haarsträubende Eingriffe in die Justiz. Sie könnten Signale sein, dass denen, die auspacken, keine Gnade gebührt – doch denen, die schweigen, womöglich eine präsidiale Begnadigung. Dieser Loyalitätsschwur gilt auch in der Mafia: Wer singt, der stirbt.
Die New Yorker Staatsanwaltschaft stört das nicht. Viele ihrer Fahnder wurden später Justizminister, Bundesrichter, FBI-Direktoren. Einer, der sich erfolgreich auf die Mafia spezialisiert hatte, wurde Bürgermeister.
Das war Rudy Giuliani. Der ist heute, als Nachfolger von Michael Cohen, Donald Trumps Privatanwalt.
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