Zu viele Touristen : Den Berlinern reicht’s

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Wer nach Berlin reist und sich in die Stadt verguckt, muss nicht unbedingt damit rechnen, von den Einheimischen zurückgeliebt zu werden: Seit Jahren bekunden die Berliner auch mit Aufklebern im Stadtraum ihre Zurückhaltung.

Wer nach Berlin reist und sich in die Stadt verguckt, muss nicht unbedingt damit rechnen, von den Einheimischen zurückgeliebt zu werden: Seit Jahren bekunden die Berliner auch mit Aufklebern im Stadtraum ihre Zurückhaltung. Bild: Picture-Alliance

Manche Touristen übernachten für 8,50 Euro, trinken Bier vor dem Spätkauf und geben auch sonst kaum Geld aus. Viele reden von „Overtourism“. Und Berlin ist nicht die einzige europäische Metropole, die unter dem Andrang ächzt.


Wer nach Berlin reist und sich in die Stadt verguckt, muss nicht unbedingt damit rechnen, von den Einheimischen zurückgeliebt zu werden: Seit Jahren bekunden die Berliner auch mit Aufklebern im Stadtraum ihre Zurückhaltung.
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Zu viele Touristen : Den Berlinern reicht’s

Wer nach Berlin reist und sich in die Stadt verguckt, muss nicht unbedingt damit rechnen, von den Einheimischen zurückgeliebt zu werden: Seit Jahren bekunden die Berliner auch mit Aufklebern im Stadtraum ihre Zurückhaltung. Bild: Picture-Alliance

Manche Touristen übernachten für 8,50 Euro, trinken Bier vor dem Spätkauf und geben auch sonst kaum Geld aus. Viele reden von „Overtourism“. Und Berlin ist nicht die einzige europäische Metropole, die unter dem Andrang ächzt.

Das richtige Bett in dem Achterzimmer ist nicht leicht zu finden. Erst mit der Taschenlampen-Funktion des Handys gelingt es. Es ist zwar erst Glockenschlag neunzehn Uhr, aber im Raum ist es düster und drei bis vier Männer und Frauen schlafen oder dösen. Einer hängt oben ohne in der oberen Etage eines der Metallbetten. Ein anderer schaut darunter auf dem Handy eine russische Comedy-Show. Ohne Kopfhörer. Ein Dritter schnarcht in seiner Koje. Von irgendwo zischt ein Kronkorken. Das kleine Bad, das zum Raum gehört, ist so sparsam eingerichtet, dass man es mit dem Kärcher-Strahler reinigen könnte. Vermutlich muss man das auch. Die Toilette ist schmutzig, der Deckel des Spülkastens gebrochen und notdürftig mit Gaffa-Klebeband wieder fixiert. Auf der Heizung hängt eine schwarze Unterhose und trocknet. Dienstagabend, 19 Uhr, im billigsten Zimmer Berlins.

Acht Euro fünfzig kostet das Bett im „a&o“-Hostel auf der Köpenicker Straße in Mitte, wenn man rechtzeitig bucht. Aber selbst wenn man unangemeldet spontan reinschneit, zahlt man immer noch knapp unter zwanzig. Die Lage ist äußerst zentral, aber die Gegend wirkt etwas tot. Alltägliches für Einheimische, also Supermärkte, Schuster oder Waschsalons, gibt es hier nahe der Spree kaum. Neben dem Hostel, ein Spätkauf. Auf der anderen Seite, noch ein Spätkauf. Und dann noch eine Wurstbude. Gegenüber eine Luxus-Siedlung. Neubauten, der Quadratmeter zu derzeit 6900 Euro. Ein Anbieter wirbt online fröhlich mit der Tatsache, dass die Mieten hier seit 2014 um 25 Prozent gestiegen seien. Da kann man gut investieren! Ein paar Meter weiter Trümmer. Hier hat ein Investor vor vier Jahren ein komplettes Haus gekauft. Als erstes warf er die Musiker, Bildhauer und Maler, die dort in einer großen Atelier-Gemeinschaft arbeiteten, raus. Drei Jahre stand das Haus leer, kürzlich wurde es demoliert. Es dürfte der teuerste Steinhaufen Berlins sein, der hier liegt. Gebaut wird nicht.

Selfies am Brandenburger Tor
Selfies am Brandenburger Tor : Bild: Andreas Pein

Im Hostel ist man weit weg von solchen Problemen. Unten, in der turnhallengroßen Lobby, reden zwei Britinnen über die Clubs der Gegend, vor ihnen stehen ein Laptop und eine Flasche Rosé. Acht junge Italiener sitzen am Boden und kichern im wesentlichen. Drei Deutsche spielen Skat. Eine Gruppe Berufsschüler auf Exkursion schaut Fußball auf einer Leinwand. Etwa zwei Dutzend weitere Touristen stehen für Pizza und Bier an. Das Haus hat 1560 Betten – die neue Form des Tourismus, die sich hier im Stillen entwickelt hat, bringt damit gleich eines der größten Häuser der Hauptstadt hervor. Nur das „Estrel“ und das „Park Inn“ können mehr Gäste aufnehmen. Wer im „a&o“ absteigt, will allerdings keinen Luxus, sondern eher die Clubs und die Szene in der Gegend erkunden. Den „Sage“, den „Tresor“, das Holzmarkt-Areal, alles nur ein paar Schritte entfernt. Die Kneipen im gemütlichen Wrangelkiez. Das hat mit dem Ausverkauf der Stadt drumherum nichts zu tun. Oder?

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Video: Deutsche Welle, Bild: dpa

„No Tourists!“

Julian Schwarze meint: Doch. Wenn der Grüne einen Albtraum hat, sieht er Straßenzüge wie diese um das Hostel herum vor sich. Der Bezirkspolitiker kämpft seit einigen Jahren gegen „Overtourism“. Seinen Bezirk, er ist Fraktionsvorsitzender in Friedrichshain-Kreuzberg, hat es aber auch am härtesten getroffen. Hier liegt das RAW-Gelände mit seinen Clubs, wo Taschendiebe und Betrunkene aus ganz Europa einander begegnen. Hier liegt die Barmeile rund um das Schlesische Tor, wo gereizte Anwohner „No Tourists!“-Aufkleber auf Straßenschildern anbringen. Und der Görlitzer Park mit seinen absurden Zahl von sehr gut organisierten Dealern. Der Oranienplatz, wo dem neuen Hotel „Orania“ regelmäßig die Scheiben eingeworfen werden, ist auch nicht weit.

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