Der Arbeitskräftemangel schlägt zu: Auch Paketzusteller werden gesucht. Bild: dpa
Im knallharten Geschäft der Paketzusteller geht die Post einen bemerkenswerten Schritt: Sie holt die rund 13.000 Zusteller ihrer Billig-Tochtergesellschaft Delivery zurück in den Haustarifvertrag.
Die Deutsche Post holt die etwa 13.000 Beschäftigten ihrer Billig-Tochtergesellschaft Delivery wieder unter das Dach ihres Haustarifvertrages. Der Konzern und die Gewerkschaft Verdi einigten sich auf einen einheitlichen Vertrag, wie beide Seiten an diesem Mittwoch mitteilten.
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„Der Irrweg zweier Gesellschaften ist beendet. Künftig gilt wieder: ein Betrieb, ein Tarifvertrag“, sagte die für die Post zuständige stellvertretende Verdi-Chefin Andrea Kocsis. Die Überleitung der Delivery-Beschäftigten solle zum 1. Juli 2019 erfolgen. Damit machen wir einen weiteren Schritt zu wettbewerbsfähigen Tarifstrukturen im Brief- und Paketmarkt und schaffen Voraussetzungen für einen dauerhaften wirtschaftlichen Erfolg“, so Vorstandschef Frank Appel.
Die „hausinterne Zweiklassengesellschaft“ in den bundesweit 46 Delivery-Gesellschaften war der Gewerkschaft schon lange ein Dorn im Auge. Der Billigdienst wurde vor etwa vier Jahren nach einem monatelangen Arbeitskampf gegründet, um im knallharten Geschäft der Paketzusteller preislich mithalten zu können.
Im Kern bot das Bonner Unternehmen seinen zeitlich befristeten Zustellern an, in der Tochtergesellschaft Delivery einen unbefristeten Vertrag zu erhalten, dafür aber weniger Lohn und sehr viel weniger Zuschläge zu bekommen. Zudem sind die Arbeitszeiten dort länger. In zwei der Gesellschaften allerdings wird sogar mehr bezahlt als nach dem Haustarifvertrag, nämlich in den Bezirken Nordbaden-Württemberg und Südbaden, weil dort sonst keine Zusteller zu bekommen sind.
Auch die Post hat etwas bekommen
Auch in den übrigen Tochtergesellschaften sind die Löhne wegen der Engpässe auf dem Arbeitsmarkt zuletzt verhältnismäßig stark gestiegen, so dass sich der Abstand zum Haustarifvertrag verringerte, was der Post den als „Zukunftsvertrag für Wachstum und Beschäftigung“ gepriesenen Kompromiss mit der Gewerkschaft erleichterte. In den Verhandlungen mit Verdi sind bei der Post außerdem die Schutzverträge zum Ausschluss von betriebsbedingten Kündigungen bis Ende 2022 und der Schutz vor Fremdvergabe in der Briefzustellung bis Ende 2020 verlängert worden.
Aber der Konzern hat Verdi auch einiges abverlangt. Die bisher bei Delivery beschäftigten und alle neu eingestellten Zusteller werden künftig länger auf die bisher jeweils nach zwei Jahren üblichen automatischen Lohnerhöhungen verzichten müssen. Die Frist wird für die ersten Stufen auf vier Jahre gestreckt, für ältere Mitarbeiter sind es drei Jahre. Das werde den Anstieg der Arbeitskosten in den kommenden Jahren bremsen, sagte ein Sprecher. Die Wiedereingliederung der Tochtergesellschaften in den Konzern verspricht zudem hohe Einsparungen in der Verwaltung, weil bisher doppelt besetzte Funktionen wegfallen.
Gleichzeitig will die Post Niederlassungen für das Brief- und Paketgeschäft zusammenlegen. Von den bisher 50 Niederlassungen sollen nur 40 übrig bleiben. Damit verbunden ist die Streichung Hunderter Arbeitsplätze in der Verwaltung, während die Post in der Zustellung in diesem Jahr bis zu 5000 neue Leute einstellen will.
Die Neuorganisation der Niederlassungen soll bis April 2020 abgeschlossen sein. Viele Verwaltungsstellen sind bisher mit Beamten besetzt, für die die Post nach der Absenkung ihrer Gewinnprognose schon im vorigen Jahr ein Vorruhestandsprogramm aufgelegt hatte, für das 400 Millionen Euro Rückstellungen gebildet worden sind. Im Gesamtpaket“ stärke die Post ihre Attraktivität als Arbeitgeber und erreiche zugleich eine „wirtschaftlich tragbare Lösung“, sagte Personalvorstand Thomas Ogilvie.
Verdi beklagt „mafiöse Strukturen“ in der Branche
„Gleichzeitig grenzen wir uns bewusst von einem Niedriglohnwettbewerb in der Branche ab“, betonte Vorstandschef Appel. Einige Post-Konkurrenten wie Hermes oder auch die Zusteller von Amazon arbeiten mit einem System von Subunternehmern, das extrem niedrige Entgelte ermöglicht. Verdi-Chef Frank Bsirske hatte im Februar sogar von kriminellen Machenschaften gesprochen. „In der Paketzustellbranche haben sich zum Teil mafiöse Strukturen etabliert“, sagte Bsirske damals. „Unternehmen wie Hermes engagieren Firmen, die wiederum andere Firmen beauftragen, die dann Menschen aus der Ukraine, aus Moldawien oder aus Weißrussland in die Lieferfahrzeuge setzen.“ Viele hätten gefälschte Pässe. „Da werden Stundenlöhne von 4,50 Euro oder sechs Euro gezahlt und das bei Arbeitszeiten von zwölf oder sogar 16 Stunden pro Tag.“
Die öffentliche Resonanz war so stark, dass Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) Anfang März ankündigte, bis Ende des Jahres ein Gesetz gegen Dumpinglöhne in der Paketbranche vorzulegen. Wesentlicher Inhalt wird sein, dass das beauftragende Unternehmen die Haftung dafür übernimmt, dass in der gesamten Kette an Subunternehmern alle Steuern und Sozialbeiträge tatsächlich gezahlt werden.
Während sich viele Mitarbeiter der Konkurrenz am Mindestlohn orientieren müssen, zahlt die Post ihren Zustellern nach Angaben eines Sprechers inklusive aller Zuschläge einen Einstiegslohn von 14,65 Euro in der Stunde. Im Durchschnitt seien es rund 18 Euro. Anfang Oktober kommen für die dann mehr als 140.000 Tarifangestellten 2,1 Prozent oben drauf. Auf der Haben-Seite kann die Gewerkschaft ebenfalls verbuchen, dass Zusteller in Regionen, wo Arbeitskräfte besonders knapp und die Lebenshaltungskosten hoch sind, in Zukunft einen Zuschlag erhalten sollen. An der genauen Liste dieser Bonus-Gebiete werde noch gearbeitet, sagte ein Sprecher.
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