„Ich glaube, die Bayern haben die Wichtigkeit nicht hundertprozentig erkannt“

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Mona Nemmer - Liverpool FC Head of Nutrition

Mona Nemmer kümmert sich als „Head of Nutrition“ um die Ernährung der Fußballer beim FC Liverpool.

(Foto: Andrew PowelL/ Getty Images)

Mona Nemmer kochte für die Nationalmannschaft und die Bayern. Jürgen Klopp holte sie zum FC Liverpool und bezeichnet sie als „unseren einzigen wirklichen Weltklassespieler“. Das richtige Essen ist schließlich legales Doping.

Dass immer alles mit allem zusammenhängt, ist keine ganz neue Erkenntnis. Im Fall von Mona Nemmer, Till Hofmann und Jürgen Klopp fragt man sich allerdings schon, wer sich so was immer wieder ausdenkt. Ihre Geschichte geht so: Mona Nemmer, seit knapp drei Jahren Ernährungsberaterin des FC Liverpool, war auf Besuch in der alten Heimat und begleitete eine befreundete Berufsschullehrerin zu einem Gespräch ins Café des Bellevue de Monaco in der Müllerstraße. Ihr Gesprächspartner: Till Hofmann, Initiator des „Wohn- und Kulturzentrums für Geflüchtete und interessierte Münchnerinnen und Münchner“, wie es im Netz so schön heißt. Ihr Thema: Was kann so ein Sozialprojekt eigentlich reißen? Wie funktioniert das weitergedacht? Welche Jobs für Geflüchtete können sich daraus ergeben? Vielleicht noch ein Handwerksbetrieb oder eine Bäckerei?

Konkretes Ergebnis des Gedankenaustauschs: keines. Aber in den Köpfen schwelten Ideen weiter. Hier kommt Jürgen Klopp ins Spiel, Trainer in Liverpool. Der hat nicht nur Nemmer vom FC Bayern verpflichtet, sondern auch die Idee, mit dem Klub ein soziales Projekt zu unterstützen – und siehe da: Justament vor dem Stadion an der Anfield Road gibt es ein solches, eine gemeinnützige Initiative, die aus einer zum Abriss bestimmten Häuserreihe wieder bewohn- und bezahlbare Wohnungen machen will – Bellevue lässt grüßen. Eine der Initiatoren, eine seit 20 Jahren in Liverpool lebende Deutsche, lernte Hofmann mal bei einem Info-Abend über Genossenschaftsprojekte kennen, im Bayerischen Wald. Man tauschte Nummern, und so erfuhr Hofmann vom ersten Erfolgsprojekt der Liverpooler Rebellen: Die seit 1926 bestehende „Mitchell’s Bakery“ wurde vor dem Abriss bewahrt und floriert nun als Genossenschafts-Bäckerei Homebaked. Wo Mona Nemmer ihrem Trainer schon ewig mit der Idee vom eigenen Sauerteigbrot für alle Teams der Reds in den Ohren liegt. Nemmer erzählt: „Kloppo hat nur gefragt: ‚Mona, was brauchst du dafür?'“


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Beim Champions-League-Hinspiel schaut Bayern-Fan Hofmann in Liverpool vorbei, staunt über die energische bis wildentschlossene Arbeit der Genossenschaft in den renovierungsbedürftigen Backsteinhäuschen, probiert bei Homebaked frisches Brot und den nach dem legendären Liverpool-Coach benannten Shankly Pie. Und er trifft Mona Nemmer, im „Hope Street Hotel“, wo die Mannschaft vor den Spielen logiert, mitten im Georgischen Viertel, nahe Kathedrale, Philharmonie und Jedermann-Theater, ein angenehm heller, luftiger Backsteinbau – ein krasser Gegensatz zum Bayern-Hotel, einer von hohen Mauern umgebenen Trutzburg mit dem irgendwie negativ besetzten Namen Titanic im Stadtteil Vauxhall, wo man nicht mal den Hund vor die Tür in die Brache schicken würde.

Hell und frisch wie das Hope kommt auch Mona Nemmer daher. Eine begeisterungsfähige Frohnatur, wie man sie im abgeklärten Fußballbusiness selten trifft. Kein Wunder, dass Klopp dieser Charakter imponiert hat. In einem Beitrag der „ZDF-Sportreportage“ bezeichnet er die 34-Jährige als „unseren einzigen wirklichen Weltklassespieler – weil sie ein ganz neues Berufsfeld geschaffen hat, das es so vorher gar nicht gab.“ Ernährung sei Doping, so Klopp, „aber halt natürlich legal. Weil: Das richtige Essen im richtigen Moment kann einen kleinen Unterschied machen und hat eine wahnsinnig große Wirkung“.

Ausgebildet ist Nemmer als Fachlehrerin für Ernährung, als Ernährungsberaterin für Leistungssport sowie als Köchin – wobei die gertenschlanke Frau mit dem kecken Pferdeschwanz phänotypisch eher Ernährungswissenschaftlerin als Köchin ist, im Gegensatz zu ihrem alten Chef, Alfons Schuhbeck. Der bekocht seit Jahr und Tag den FC Bayern, und als Klopp im Sommer 2016 wegen der Frau Nemmer nachfragte, ließen die Bayern sie sozusagen kampflos von der Isar an den Mersey ziehen.

Laut Klopp habe man die Spieler früher drängen müssen, vier Mal am Tag vor Ort zu essen

„Ich glaube, die Bayern haben die Wichtigkeit nicht hundertprozentig erkannt“, sagte Klopp. In Absprache mit Pep Guardiola hatte der ehemalige Bayern-Sportvorstand Matthias Sammer Nemmer 2013 vom Deutschen Fußballbund geholt, wo sie vier Jahre für die sportgerechte Ernährung der Nachwuchsteams bis U21 verantwortlich war und auch mit dem damaligen Nationalmannschaftskoch Holger Stromberg zusammenarbeitete.

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Nemmer ist Oberpfälzerin, kommt aus Miltach im Landkreis Cham, nicht weit vom Großen Arber: 2200 Einwohner, 900 von ihnen sind im Fußballklub. Der 1. FC Miltach 1923: Ende der Achtzigerjahre beinahe mal in die Bayern-Liga aufgestiegen, aber an den von Helmut Haller gecoachten Augsburgern gescheitert. Auch Till Hofmann hat mal gegen Miltach gekickt, Landesliga Mitte, mit dem FC Passau, gegen eine ganze Nemmer-Armada: Franz, Martin und Ludwig Nemmer auf dem Feld, Girgl Nemmer im Tor. Heute reicht es nur noch für die Kreisliga Ost.

Aber dafür hat ja die Tochter von Annemarie und Martin Nemmer Karriere gemacht – als Head of Nutrition im fernen Liverpool, als Chefin von 26 Angestellten, die in zwei Schichten arbeiten. Auf dem Trainingsgelände in Melwood gibt es täglich vier Mahlzeiten. Laut Klopp habe man die Spieler früher drängen müssen, vier Mal am Tag vor Ort zu essen. Jetzt blieben sie dagegen gern, so der Coach.

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Nemmer wohnt etwas außerhalb, liebt aber die Beatles-Stadt – und sie liebt ihren Job. In Landsmann Klopp hat sie einen Chef, der erkannt hat, wie wichtig Ernährung für Leistungssportler ist, deren Regenerationszeiten immer kürzen werden, erst recht, wenn sie in der englischen Vielspieler-Liga arbeiten. Nicht umsonst kümmert sich ein ganzer Stab an Ernährungsberatern, Personal Trainern und Köchen um die optimale Versorgung mit Makro- und Mikronährstoffen von Super-Stars wie Cristiano Ronaldo und Lionel Messi. Letzterer verlor mit Hilfe eines Ernährungsberaters angeblich drei Kilo Fettmasse. Mona Nemmers Devise im Umgang mit den Stars ist: bieten statt verbieten.

Sie stellt den Kickern genauso viel Gesundes auf den Tisch, dass die gar nicht anders können als sich perfekt zu ernähren. Und sie pflegt einen ganzheitlichen Ansatz: gemeinsames Backen, kleine Tafeln mit Vitamin-Infos zu grünen Smoothie-Shots, Kochen mit den Spielerfrauen, Kooperationen mit Unis, Rücksprache mit den Klubärzten, Verpflegung im Hotel, im Flieger, im Bus – aber auch Tipps für Stars wie den Ägypter Mo Salah, der als Moslem einen besonderen Speiseplan braucht. Nur beim Sieger-Bier ist sie streng: Das hat auf dem Speiseplan natürlich nichts zu suchen.

Sollte die Bäckerei Homebaked am Anfield Stadion aber tatsächlich mal das von Jürgen Klopp und dem FC Liverpool geförderte Sozialprojekt werden, Mona Nemmer dort womöglich ihr Sauerteigbrot backen lassen und Till Hofmann den ein oder anderen Bellevue-Bewohner zum Bäcker gemacht haben, dann wären allerdings schon ein paar Sieger-Biere fällig. Vielleicht kommt auch alles ganz anders, und Nemmer findet das Brot für den FC Bayern des neuen Trainers Klopp irgendwann irgendwo in einer von Syrern betriebenen Bäckerei in einem Hinterhof am Gärtnerplatz. Aber das ist jetzt natürlich bloß ausgedacht.

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