Richtig vererben hilft, Streit zu vermeiden

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Wem die Familie am Herzen liegt, der möchte seine Vermögensverhältnisse über den Tod hinaus möglichst gut regeln. Aber dabei kann eine Menge schiefgehen.

Frank Wiebe ist Handelsblatt-Redakteur in Frankfurt.
Frank Wiebe

02.03.2019 – 12:00 Uhr Kommentieren

Während ein Testament einfach handschriftlich hinterlassen werden kann, ist ein Erbvertrag nur vor dem Notar gültig. Quelle: dpa
Testament

Während ein Testament einfach handschriftlich hinterlassen werden kann, ist ein Erbvertrag nur vor dem Notar gültig.

(Foto: dpa)

FrankfurtDie erste Frage vor der Abfassung eines Testaments lautet: Ist es überhaupt notwendig? Ohne einen schriftlichen Nachlass wird die Erbschaft nach Gesetz geteilt. Wenn kein Ehepartner vorhanden ist, wird das Vermögen gleichmäßig auf die Kinder verteilt. Wenn die jeweilige Frau oder der Mann noch lebt, dann geht in vielen Fällen die Hälfte an den überlebenden Partner, und der Rest wird unter den Kindern verteilt. Das ist häufig eine vernünftige Lösung.

Außerdem ist zu beachten: Wer ein Testament aufsetzt, riskiert, dass eines der Kinder sich benachteiligt fühlt und Zwist in die Familie kommt. Bei der gesetzlichen Regelung ist diese Gefahr geringer. Auf der anderen Seite kann man per Testament zum Beispiel einen unverheirateten Partner absichern.

Die Bundesnotarkammer warnt: „Über das gesetzliche Erbrecht bestehen oftmals falsche Vorstellungen … So sind Ehegatten häufig der Auffassung, dass das gemeinsame Haus nach dem Tode eines von ihnen dem Überlebenden alleine gehört.“ Ferner heißt es: „Befindet sich ein Unternehmen im Nachlass, wird nicht danach gefragt, ob die Erben auch in der Lage sind, das Unternehmen weiterzuführen.“ Bei komplizierteren Verhältnissen sollte ein Experte zugezogen werden.

Gesetzliche Erbfolge

Etwas kompliziert ist bereits die Vererbung innerhalb einer Ehe oder eingetragenen Partnerschaft. Die effektiven Prozentsätze addieren sich aus Pflichtteilen und solchen Anteilen des Vermögens, die dem überlebenden Partner schon vor dem Todesfall zugestanden haben. Eheleute erben grundsätzlich neben Kindern zu einem Viertel, neben weiteren Verwandten bis hin zu Großeltern zur Hälfte, und wenn keine (oder nur noch entferntere) Verwandtschaft existiert, erben sie ganz.

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Dabei ist der Güterstand wichtig. Wenn nichts vereinbart ist, gilt die sogenannte Zugewinngemeinschaft. Dann bekommt der Überlebende die Hälfte des Vermögens (ein Viertel als Erbe, ein Viertel pauschal als Zugewinnanteil), der Rest geht an die Kinder. Gibt es keine Kinder oder Kindeskinder, aber noch weitere berechtigte Verwandte, so bekommt der Partner drei Viertel (ein Viertel davon ist der Zugewinn).

Beispiele für die Erbfolge

A stirbt und hinterlässt seine Ehefrau und zwei Kinder. Die Eheleute haben im gesetzlichen Güterstand gelebt und keinen Ehevertrag geschlossen. Die Ehefrau erbt den halben Anteil, die Kinder je ein Viertel des Anteils.

Witwe B hat zur Zeit ihres Todes zwei Kinder, der Ehemann ist bereits vor 20 Jahren verstorben. Beide Kinder erben zu gleichen Teilen. Nur wenn ein Kind unter Hinterlassung von Enkelkindern bereits vorverstorben ist, erhalten die Enkel gemeinsam den auf dieses Kind entfallenden Erbanteil.

Student S stirbt unverheiratet und kinderlos. Er wird von seinen beiden Eltern zu je der Hälfte beerbt. Falls ein Elternteil vorverstorben ist, fällt dessen Erbanteil an die Geschwister von S.

C stirbt und hinterlässt seine Ehefrau. Die Ehe mit gesetzlichem Güterstand war kinderlos, die Eltern des Ehemanns leben noch. Die Ehefrau erbt zu drei Vierteln, die Eltern er‧halten je ein Achtel.

Bei Gütertrennung und einem oder keinem Kind bekommt der Partner die Hälfte, bei zwei Kindern ein Drittel und ab drei Kindern ein Viertel. Bei Gütergemeinschaft behält der Überlebende fünf Achtel des gemeinsamen Besitzes, wenn Kinder vorhanden sind, oder drei Viertel, wenn es nur entferntere Erben gibt.

Wichtig: Je nachdem, welches Geld wo liegt, fällt das Erbe unterschiedlich hoch aus. Im Erbfall gelten Gemeinschaftskonten in der Regel als je hälftiger Besitz. Das kann zu Streit, etwa über die Höhe von Pflichtteilen, führen, wenn das Geld de facto hauptsächlich von einem der beiden stammt. Anwalt Claus-Henrik Horn aus Düsseldorf empfiehlt daher Eheleuten, Konten und Depots weitgehend getrennt zu halten.

Bei Kindern ist die gesetzliche Folge einfach: Das Vermögen wird gleichmäßig verteilt. Dabei ist maßgeblich, wer rechtlich Kind ist, nicht, wer es biologisch ist. Adoptivkinder, uneheliche Kinder oder in der Ehe geborene Kuckuckskinder, bei denen die Vaterschaft nicht angefochten wurde, sind also dabei, Pflege- oder Stiefkinder dagegen nicht.

Wenn ein Kind bereits gestorben ist, erben dessen Kinder – das Prinzip gilt für alle weiteren Generationen. Wenn keine Kinder vorhanden sind, treten zunächst die Eltern als „Verwandte zweiter Ordnung“ das Erbe an. Sind sie bereits verstorben, geht es zunächst mit deren Kindern und Kindeskindern weiter. Erst dann sind als „dritte Ordnung“ die Großeltern dran – und so weiter.

Berliner Testament

Häufig setzen sich Ehepartner gegenseitig als Erben ein, um sich abzusichern, nachfolgende „Schlusserben“ werden meist die Kinder. Geändert werden kann dieses „Berliner Testament“ nur gemeinsam und nach dem Tod eines Partners meist gar nicht mehr. Das bietet eine Sicherheit zum Beispiel dagegen, dass der Überlebende ein Testament zugunsten einer Geliebten abschließt.

Die Überlebenden sind oft sehr überrascht, dass sie das Testament nicht mehr ändern können. Anwalt Horn sagt: „Das ist der häufigste Knackpunkt, den ich in meiner Praxis erlebe. Leider machen auch Notare oft nicht darauf aufmerksam.“

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Pflichtteil

Wer per Testament von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen wird, darf in der Regel die Hälfte des gesetzlichen Anspruchs als Pflichtteil beanspruchen. Das kann nur in Ausnahmefällen per Testament verhindert werden oder entfallen. Ein besonders krasses Beispiel: Wenn Kinder ihre Eltern umbringen, erben sie nichts.

Testament und Erbvertrag

Während ein Testament einfach handschriftlich hinterlassen werden kann, ist ein Erbvertrag nur vor dem Notar gültig. Im Erbvertrag können auch Gegenleistungen, zum Beispiel die Verpflichtung zur Pflege, festgehalten werden. Aber ist die jeweilige Verpflichtung auch eingehalten worden? „Zu dieser Frage gibt es eine komplizierte Rechtsprechung“, warnt Horn. Keinesfalls sollte man zu allgemeine Formulierungen wählen wie „Erben soll, wer mich gepflegt hat“.

Wenn ein Erbvertrag in Verbindung mit einem Ehevertrag geschlossen wird, dann wird er bei einer Scheidung unwirksam. Wer sichergehen will, fasst auch sein Testament beim Notar ab.

Vermächtnis

Hiermit kann ein bestimmter Gegenstand oder eine Geldsumme einem Nicht-Erben vermacht werden oder auch einem Erben als „Vorausvermächtnis“ zusätzlich zu dessen Anspruch. Das Vermächtnis verschwindet aus der Erbmasse, es entstehen also keine Ausgleichsansprüche für andere Erben.

Teilungsanordnung

Hierbei legt der Erblasser fest, dass bestimmte Gegenstände, zum Beispiel ein Grundstück, einem bestimmten Erben zustehen. Die Gegenstände bleiben aber Teil der Erbmasse. Übersteigt der Wert, zum Beispiel des Grundstücks, die Quote des jeweils Begünstigten, muss er den anderen Erben einen Ausgleich zahlen.

Häufig ist bei Testamenten nicht klar formuliert, ob es sich um ein Vorausvermächtnis oder eine Teilungsanordnung handelt: Hier sollte der juristische Begriff verwendet werden. Anwalt Horn empfiehlt zudem eher das Vermächtnis, weil es für Klarheit sorgt, während Teilungsanordnungen oft zu langwierigem Streit führen.

Erbschaftsteuer

Die Ausgestaltung des Testaments kann Auswirkungen auf die Erbschaftsteuer haben. Beim Berliner Testament wird zum Beispiel Vermögen erst an den überlebenden Ehegatten und dann noch einmal an die Kinder vererbt – statt direkt an die Kinder.

Digitaler Nachlass

Am 12. Juli 2018 hat der Bundesgerichtshof eine weitreichende Entscheidung zu Facebook-Accounts getroffen (BGH III ZR 183/17). Danach werden diese Accounts mit allen Rechten vererbt, und das hat Vorrang vor anderen Regelungen wie dem Fernmeldegeheimnis und dem Datenschutzrecht. Eine Mutter hat so in langen Jahren das Recht auf Zugang zu dem Facebook-Account ihrer verstorbenen Tochter erstritten.

Das Beispiel zeigt: Auch der digitale Nachlass verdient Aufmerksamkeit. Dazu zählen nicht nur Nutzerkonten in sozialen Netzwerken, sondern auch E-Mail-Konten, Online-Abos oder E-Books. Am einfachsten ist, alle Zugangsdaten so zu lagern, dass die Hinterbliebenen sie finden und dann entsprechende Konten schließen können.

Aber die Gefahr ist groß, dass man dabei einige Fälle übersieht. Deswegen empfiehlt es sich, zusätzlich eine Vollmacht für den digitalen Nachlass zu hinterlassen. Nach Aussage der Verbraucherzentralen muss sie wie ein Testament mit der Hand geschrieben und unterschrieben sowie mit Datum versehen sein, außerdem ausdrücklich die Formulierung „über den Tod hinaus“ beinhalten.

Inzwischen bieten auch einige Firmen digitale Nachlassverwaltung an. Das kostet allerdings Geld, außerdem muss man der Firma seine Daten anvertrauen.

In manchen Onlinemedien, etwa Facebook, können Nutzer festlegen, was beim Tod passieren soll oder wer nach dem Tod auf Inhalte zugreifen kann. Bei Facebook kann man zum Beispiel über „Einstellungen“, „Kontoeinstellungen“, „Konto verwalten“ festlegen, dass ein Konto gelöscht wird, sobald Facebook vom Tod erfährt.

Allerdings greift die Steuer unter Ehegatten erst oberhalb von 500.000 Euro. Für Kinder gelten 400.000, für Enkel in der Regel 200.000, für Eltern und Großeltern 100.000 und für die Übrigen sind es meist nur 20.000 Euro Freibetrag. Anwalt Horn warnt, dass es manchmal unbeabsichtigt zu Schenkungen kommt: „Wird zum Beispiel ein saftiger Bonus des Ehemanns auf ein gemeinsames Konto eingezahlt, gilt das zur Hälfte als Schenkung.“

Bei der Schenkungsteuer gelten (außer für Eltern und Großeltern) dieselben Freibeträge wie bei der Erbschaftsteuer. Für die Berechnung werden alle Schenkungen der letzten zehn Jahre zusammengerechnet, danach beginnt die Rechnung von vorn. Außerdem dürfen beide Eltern ihren Kindern unabhängig voneinander etwas schenken, wobei jedes Mal die Freibeträge in voller Höhe gelten.

Daher nennt die Seite Steuern.de als Trick, dass zum Beispiel der Vater erst die Hälfte einer geplanten Schenkung an seine Frau überträgt, die sie dann weiterschenkt, sodass die Kinder die Freibeträge zweimal geltend machen können.

Anfechtung

Ein Testament kann anfechten, wer laut gesetzlicher Erbfolge oder einem früheren Testament erbberechtigt wäre. Mögliche Gründe sind zum Beispiel nachweisbare Irrtümer oder Drohungen. Kompliziert kann es werden, wenn die Erbschaft an bestimmte Bedingungen geknüpft war und dann geklärt werden muss, ob diese (z. B. die Pflege des Erblassers) erfüllt worden sind.

In manchen Fällen ist es billiger und weniger schmerzhaft, den Fall durch ein Schiedsgericht oder eine Mediation klären zu lassen. Erblasser können das per Testament bereits vorgeben.

Ausschlagen

Wenn eine Erbschaft klar überschuldet ist, kann man sie in einer Frist von sechs Wochen ausschlagen. Man muss sie gleich auch für minderjährige Kinder ausschlagen, damit die Schulden nicht an ihnen hängen bleiben.

Nachlassverwaltung

Vorteilhafter dürfte in vielen Fällen die Nachlassverwaltung sein. Sie lässt sich bis zu zwei Jahre nach dem Erbfall beantragen. Dabei kann es in der Regel nicht passieren, dass der Erbe für Schulden oder Kosten aufkommen muss. Dagegen besteht die Möglichkeit, dass es doch einen Überschuss des Vermögens über die Schulden und die Kosten des Verfahrens gibt, der dann ausgezahlt wird.

Nachlassinsolvenzverfahren

Der Nachlassverwalter beantragt dieses Verfahren, wenn sich zeigt, dass die Schulden nicht zu decken sind. Der Erbe selbst kann den Antrag auch stellen. Das Gericht eröffnet dann entweder ein Verfahren oder stellt gleich die „Dürftigkeit des Nachlasses“ fest. In beiden Fällen können die Gläubiger sich nicht bei dem Erben bedienen.

Fallstricke

Eine Erbschaft muss in der Regel binnen sechs Wochen, nachdem man davon erfahren hat, ausgeschlagen werden, in Sonderfällen sind es sechs Monate. Wer das versäumt, erbt unter Umständen Schulden. Ohne Testament beginnt die Frist, wenn der Erbe vom Tod des Erblassers erfährt. Wer minderjährige Kinder hat, muss auch für diese ausschlagen.
In Testamenten ist häufig nicht klar dargestellt, ob bestimmte Gegenstände unabhängig von der jeweils dem Erben zustehenden Quote zugeteilt werden (als Vorausvermächtnis) oder darauf angerechnet werden (im Rahmen einer Teilungsanordnung).
Testamente, das gilt auch für „digitale“ Testamente, müssen komplett mit der Hand geschrieben, unterschrieben und mit Datum versehen sein.

Bei notariellen Testamenten gelten andere Regeln. Beim Berliner Testament mit gegenseitiger Einsetzung unter Eheleuten wird oft übersehen, dass nachträgliche Änderungen kaum möglich sind.

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