Vertrauensforscherin Rachel Botsman: „Die Marke Facebook stirbt“

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Vertrauensforscherin Rachel Botsman: „Die Marke Facebook stirbt“

(Foto: Max Doyle)

28.02.2019, 07:30 Uhr

Wenn es um das Zusammenspiel von Vertrauen und ­Technologie geht, gilt Rachel Botsman als eine der weltweit ­renommiertesten Expertinnen. Im Gespräch erklärt Botsman, wie Vertrauen im digitalen Zeitalter entsteht und warum sie glaubt, dass ­Facebook als Marke untergehen wird.

Das Publikum auf der diesjährigen DLD-Konferenz konnte sich ein abfälliges Lachen nicht verkneifen. Konferenz-Chefin ­Steffi Czerny wollte eine Brücke schlagen zwischen Rachel ­Botsmans Vortrag über Vertrauen in Technologie und der Rede von Sheryl Sandberg, Facebooks Chefin fürs operative Geschäft. Kein Wunder, dass das Publikum etwas höhnisch reagierte, schließlich konnten die Auftritte der beiden Frauen auf der ­Münchener ­Konferenz kaum gegensätzlicher sein: Hier die ­Chefin des aus PR-Sicht schwer angeschlagenen Facebook-­Konzerns, die in einem pastoralen Ton vorträgt, wie sie Facebooks ­Vertrauenskrise begegnen will. Dort eine begnadete Rednerin, die pointiert erklärt, warum das so nicht funktionieren kann, wie sich ­Facebook das vorstellt – ohne den Konzern allerdings in ihrem Vortrag direkt zu erwähnen.

Aber wer ist diese Rachel Botsman eigentlich? Die 41-­jährige Britin lehrt als Dozentin an der Saïd Business School, die zur Oxford ­Universität gehört. Sie hat schon 2010 ein Buch über die Share Economy geschrieben, als der Begriff offiziell noch gar nicht existierte. In ihrem neuesten Buch, „Who can you trust? How Technology brought us together – and why it might drive us apart“, beschäftigt sie sich intensiv mit dem Zusammenhang von Vertrauen und Technologie und wie sich Vertrauen im Lauf der Zivilisationsgeschichte verändert hat. Rachel Botsman berät weltweit Unternehmen wie Google, ­Microsoft oder Accenture. Ihre hervorragenden Vortragsqualitäten bescheinigt ihr etwa das Magazin Monocle: Es hat sie zu den 20 weltweit besten Speakern gewählt.

t3n Magazin: Frau Botsman, Sie erforschen schon seit Längerem etwas, das im ­Alltag als selbstverständlich erscheint: Vertrauen. Was interessiert Sie an diesem Begriff?

Rachel Botsman: Vertrauen ist heute eines dieser Buzzwords geworden – wie Innovation oder Disruption. Wir benutzen sie viel und meinen zu glauben, was sie bedeuten, tun es aber nicht wirklich. Dabei ist es gerade heute wichtiger denn je, zu verstehen, was Vertrauen eigentlich ist.

t3n Magazin: Wie würden Sie denn Vertrauen definieren?

Im Kern geht es um eine vertrauensvolle Beziehung mit dem Unbekannten. Auf die Wirtschaft bezogen heißt das: Jedes neue Produkt oder jeder neue Service braucht Vertrauen. Wenn ich mich in ein autonomes Fahrzeug setze, wenn ich meine Kinder mit Robotern alleine lasse, braucht es einen – wie ich es nenne – Vertrauenssprung. Es verlangt von uns, ein Risiko in Bezug auf etwas oder jemanden einzugehen, das oder den wir nicht kennen. Und je größer das Risiko ist, das von uns verlangt wird, desto mehr Vertrauen ist nötig.

t3n Magazin: Können Sie ein Beispiel nennen?

Ein Unternehmen bittet seine Nutzer um Vertrauen, wenn es sie auffordert, bekannte Handlungsabläufe aufzugeben – zum ­Beispiel ein Auto zu fahren – und sich stattdessen auf ­unbekannte Handlungen einzulassen – sich von einem autonomen Fahrzeug fahren zu lassen. Ein gutes Beispiel ist auch der Umgang von ­Nutzern mit Alexa. Sie testen den Sprachassistenten mit ­Dingen, die sie bereits kennen. Wie zum Beispiel das Wetter oder das Abspielen eines bestimmten Songs. Aber wenn sie Alexa bitten ­würden, ihr eigenes Geld zu überweisen – dafür wäre dann ein echter Vertrauenssprung nötig. Was wir oft völlig vernachlässigen, ist diese eine Sache, die Bekanntes und Unbekanntes ­zusammenbringt – und das ist eben Vertrauen.

Rachel Botsman hat bei der ­diesjährigen DLD-Konferenz in ­München mit ihrem Vortrag „The currency of trust“ das Publikum begeistert. Sie sprach direkt vor Facebook-COO Sheryl Sandberg. (Foto: Picture Alliance for DLD)

t3n Magazin: Klar, Vertrauen in etwas, das ich nicht kenne, muss von der Gegenseite ja erstmal verdient werden. War das aber nicht immer schon so?

Ja, der Kern, der Vertrauen ausmacht, hat sich im Laufe der Geschichte nicht geändert. Was sich aber verändert, ist die Art und Weise, wie Vertrauen fließt. Lassen Sie mich dazu ein ­wenig ausholen: Die Menschheit hat bisher zwei Kapitel des Vertrauens durchlebt. Zu Beginn der Menschheitsgeschichte war der ­Vertrauensfluss noch sehr einfach zu verstehen, weil es um ­lokales Vertrauen ging und sich auf die direkte physische Umgebung unserer Mitmenschen reduzierte. Als die Menschheit sich dann weiterentwickelt hat und zum Beispiel stärker in Städten zusammenkam und zunehmend auf Reisen ging, veränderte sich Vertrauen in institutionelles Vertrauen – wir erfanden den Staat, Versicherungen oder Marken, die auch eine Form institutionellen Vertrauens sind. Das war sehr klug, weil es erstmals möglich machte, dass Vertrauen nicht nur zwischen Menschen, sondern eben auch zwischen Unternehmen und Institutionen fließen konnte.

t3n Magazin: Wie ändert sich das in der digitalen Ära?

Es ist nicht so, dass lokales und institutionelles Vertrauen verschwinden. Was wir aber jetzt in einer sehr frühen Phase erleben, ist, dass Netzwerke, Plattformen und neue Technologien Vertrauen grundlegend verteilen. Sie wollen der klassisch ­hierarchischen Top-down-­Variante, bei der wenige Leute die Steuerung der Gesellschaft übernehmen, das Vertrauen entziehen und sie in die Hand vieler Menschen geben. Es gibt viele Beispiele dafür, etwa die Art und Weise, wie wir Nachrichten konsumieren oder Plattformen wie Airbnb und Uber – oder noch weiter gedacht: die noch frühen Blockchain-Applikationen. Ich glaube, dass viele ­Veränderungen, die wir im Bereich Politik oder Finanzen gerade erleben, durch diese Perspektive auf Vertrauen besser verstanden werden können.

„Die Menschen werden neue Orte finden. Das haben sie immer schon getan.“

t3n Magazin: Gleichzeitig tun sich die großen Plattformen zurzeit sehr schwer, mit dem Vertrauen, das ihnen die Nutzer entgegen­bringen, verantwortungsvoll umzugehen. Wie bewerten Sie ­Facebook in diesem Zusammenhang?

Facebook ist in einem sehr fragilen Zustand und die Maßnahmen des vergangenen Jahres, daran etwas zu ändern, sind aus ­meiner Sicht als Vertrauensexpertin falsch gewesen. Was ja ­passiert, wenn ein Vertrauensverhältnis zusammenbricht, ist, dass die betroffenen Menschen sehr emotional reagieren. Denken Sie an eine einfache Beziehung: Sie werden sauer, frustriert, sie sind durcheinander. Man befindet sich aber in der Regel immer noch in einem Zeitfenster, um dieses Vertrauensverhältnis wieder in Ordnung zu bringen. Aber wenn das nicht gelingt, dann beginnt die nächste Phase, die eher von Entzauberung und Rückzug geprägt ist. Und genau das passiert gerade mit Facebook.

t3n Magazin: Woran machen Sie das fest?

Schauen Sie sich etwa das Nutzungsverhalten an: Es geht nicht so sehr darum, wie viele Nutzer jetzt ihren Account löschen, sondern wie sie von einer aktiven Partizipation zu einem ­passiven Konsum wechseln, also eine gewisse Apathie der Plattform ­gegenüber entwickeln. Sie mögen Facebook eher passiv vertrauen und dort sein, um vielleicht einen alten Klassenkameraden zu finden. Aber Facebook hat das Vertrauen verspielt, das wir als Nutzer in die Plattform haben – oder besser – hatten, um eine wirklich wesentliche Rolle in unserem Leben zu spielen. Überlegen Sie mal: Wenn Facebook all die geplanten Dinge umsetzen will, weil sie ja diese einzigartige Plattform hatten, etwa einen Fernsehsender oder einen Banking-Service starten, wird das jetzt ungemein schwierig.

t3n Magazin: Das klingt sehr negativ. Wie bewerten Sie denn die ­Zukunft von Facebook?

Die Marke Facebook stirbt. Sie wird in fünf Jahren das neue ­Myspace sein. Und ich glaube übrigens auch nicht an die These, dass das Netzwerk aufgrund seiner schieren Größe nicht untergehen kann. Die Menschen werden neue Orte finden. Das haben sie immer schon getan.

t3n Magazin: Wie sieht es mit den anderen Facebook-Marken aus – allen voran ­Instagram?

Von diesem schleichenden Untergang ist nicht das gesamte Facebook-­Ökosystem betroffen. Ich glaube, dass viele der ­Nutzer, die jetzt zu Instagram wechseln oder bei Instagram sind, nicht wissen oder in ihrem täglichen Tun nicht realisieren oder es sie auch nicht wirklich stört, dass das Netzwerk ebenfalls zu ­Facebook gehört.

t3n Magazin: Aber was ist denn konkret bei Facebook schiefgelaufen?

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Man kann Vertrauensbrüche nicht allein mit Kommunikation ­fixen – schon gar nicht mit dem Vorgehen, erstmal gar nichts zu sagen und sich nicht verantwortlich zu fühlen, und dann plötzlich mit einer großen Sache rauszukommen oder einer Idee, wie jetzt alles besser werden soll, samt großer Werbekampagne. Diese Inkonsistenz in der Art und Weise, wie sie kommunizieren, ist ein echtes Problem. Ein solches Vorgehen ist sehr schädlich für Vertrauen. Vertrauen, vor allem dann, wenn es sehr fragil ist, ­basiert auf einem langsamen und kontinuierlichen Wiederaufbau­prozess, der Zeit in Anspruch nimmt.

t3n Magazin: Was steht diesem Prozess bei Facebook im Weg?

Es ist dieses Gefühl, dass ihre Kommunikation und das, was sie sagen, nicht mit ihrem tatsächlichen Handeln übereinstimmt. Und das ist der Ursprung davon, dass Vertrauen wirklich zerstört wird: Wenn wir spüren, dass es offenbar einen Interessens­konflikt gibt. Also etwa, wenn Mark Zuckerberg immer wieder betont, dass er sich um seine Nutzer sorgt und kümmert und dass ihm ihre Belange wichtig sind. Wenn es aber trotzdem fundamental zum Geschäftsmodell gehört, die Nutzerdaten zu ­monetarisieren. Und jetzt versucht der Konzern, die Vertrauenskrise mit externen Lösungsansätzen zu bewältigen – wie eine höhere Transparenz. Sie sollten einfach mal zugeben, dass der Grund ­allen Übels eine grundlegende kulturelle Krise im Unternehmen ist. Anstatt eine sehr abstrakte Diskussion über Vertrauen zu führen, müssten sie genau analysieren, wo der Vertrauensbruch eigentlich liegt.

t3n Magazin: Wo liegt denn der Vertrauensbruch Ihrer Meinung nach genau?

Es geht um Integrität. Facebook wusste sehr genau, was ­abging, was etwa den Abfluss persönlicher Daten an Dritte angeht. Aber sie haben es bestritten und geleugnet. Dieses Täuschungs­manöver hat ihnen wirklich geschadet. Die Nutzer fühlen jetzt, dass sie betrogen worden sind. Wenn Menschen glauben, dass sie getäuscht und verraten werden: Das ist der wahre Gegner von Vertrauen. Es fehlt das Gespür für Verantwortlichkeit.

t3n Magazin: Integrität, fehlendes Verantwortungsgefühl – das sind ja schwere Anschuldigungen. Woher rührt denn Ihrer ­Meinung nach diese kulturelle Krise bei Facebook?

Ich habe viel Zeit in Tech-Unternehmen und deren Kultur verbracht. Sie sind vor allem auf Effizienz, Geschwindigkeit und Wachstum getrimmt. Und lange Zeit haben wir alle gedacht, dass es eben genau darum gehen muss. Aber ironischerweise reden wir heute über Inte­grität und Ethik. Da geht es dann auch mal darum, harte Entscheidungen zu treffen, die aus Gesamtsicht richtig sind. Auch wenn sie dazu führen könnten, dass ein Produkt nicht gelauncht werden kann oder das Unternehmen weniger Geld verdient. Aber so sind die Unternehmenskulturen in der Tech-Branche nicht geprägt. Ihre Essenz steht hinter Sätzen wie „Move fast and break Things“.

t3n Magazin: Auf der anderen Seite hat diese Kultur ja aber vieles voran­gebracht und zur Gründung der großen Tech-­Konzerne ­geführt.

Das mag sein, trotzdem wurden in den vergangenen 20 Jahren auch Fehler begangen. Risikokapitalgeber haben Gründern zu viel Geld gegeben. Es war vor der Facebook-Ära sehr unüblich für einen Gründer, die Mehrheitsanteile der Aktien zu besitzen und zu insistieren, der CEO einer Firma zu bleiben. Wir haben solchen Menschen zu viel Macht gegeben. Und dann wurden Leute wie Sheryl Sandberg angeheuert – in der Hoffnung, dass sie die kulturellen Fehler der jungen Gründer wieder ausbaden. Es geht hier gar nicht um Sandberg als Person, sondern um die generelle Rolle, die ihr zukommt. Das sieht man auch bei anderen Unternehmen wie Airbnb, wo CEO Brian ­Chesky etwa Belinda Johnson ins Unternehmen holte.

t3n Magazin: Was können wir von der Facebook-Krise also lernen?

Ein positiver Effekt könnte sein, dass es zu einer Revalidierung kommt, wie viel Macht wir Gründern geben. Und wann sie vielleicht an eine andere Person übergeben sollten, weil sie vielleicht nicht die richtigen Führungsqualitäten haben, wenn sie an die Börse gehen.

t3n Magazin: Und was können Unternehmen generell von solchen Krisen lernen?

Womit Unternehmen in Krisen häufig Schwierigkeiten haben, ist der Umstand, dass sie auf schwierige Situationen oft sehr ­emotional reagieren. Dabei sprechen sie zu oberflächlich über die ­eigentlichen Probleme und schaffen es oftmals nicht, genauer zu analysieren, worauf die Krise wirklich zurückgeht. In der Regel hängen Krisen mit einen der vier Bereiche zusammen: ­Kompetenz, Zuverlässigkeit, Empathie oder Integrität. Was ich in meiner Arbeit festgestellt habe: In neun von zehn Fällen geht es um ein Integritätsproblem, wie jetzt auch bei Facebook.

t3n Magazin: Was halten Sie von Apples Versuch, die Facebook-Krise für sich zu nutzen und sich in Sachen Datenschutz und Privatsphäre als die Guten zu positionieren?

Ich halte diesen Zug von Apple für ziemlich gefährlich – also, sich so weit aus dem Fenster zu lehnen mit der Aussage, dass sie die Privat­s­phäre ihrer Nutzer so hoch schätzen wie nichts anderes. Unternehmen, die das ernst meinen, stellen sich nicht hin und sagen „Vertraut uns mehr als den anderen“, sondern zeigen durch ihr Verhalten einfach, dass sie vertrauenswürdiger sind. Ein gutes Beispiel ist das Verhalten von Lyft, als Uber mit einer echten Vertrauenskrise zu kämpfen hatte. Die Gründer verbaten sich in jener Zeit, auf Uber rumzuhacken und verbaten auch ihren Mitarbeitern, sich in Interviews negativ über Uber zu äußern. Allein durch dieses Verhalten positionierten sie sich als das vertrauensvollere Unternehmen, ohne dabei die Schwäche des Konkurrenten auszunutzen.

t3n Magazin: In der Auseinandersetzung mit den großen Tech-Unternehmen reden wir fast ausschließlich über Facebook. Was ist eigentlich mit den anderen Playern, etwa Google?

Das ist wirklich eine sehr gute Frage. Ich habe mir im ­vergangenen Jahr viele Gedanken darüber gemacht und mich immer wieder gefragt, warum die Medien, aber auch die Nutzer, so „soft“ etwa mit Google umgehen. Ich glaube, dass Google für viele Menschen eine fundamentalere Rolle in ihrem Alltag spielt, ohne die sie sich ihr Leben kaum vorstellen können. Und zwar noch viel stärker als Facebook. Vielleicht schauen wir bei für uns so wichtigen ­Akteuren nicht richtig hin.

t3n Magazin: Einen Schritt weitergedacht: Wir diskutieren heute über Fake News, dabei werden es Deep Fakes in Zukunft noch mehr erschweren, Vertrauen gegenüber neuen Technologien aufzubauen.

Deep Fakes sind in der Tat sehr besorgniserregend. Mit dieser Technologie verändert sich die Erzeugung von Wahrheit in einer Gesellschaft. Momentan wissen wir nicht immer, welche Informationen wahr sind. Mit Deep Fakes wissen wir nicht mehr, auf welche Fakten oder Beweise wir uns wirklich verlassen können. Ich weiß zum Beispiel nicht, wie lange Videoüberwachungen noch als Beweismittel zulässig sein werden, wenn jeder ­Verteidiger vor Gericht die Echtheit solcher Videos in Frage stellt.

t3n Magazin: Wie können Unternehmen angesichts solcher Verunsicherungen reagieren?

Wir Kunden sehnen uns sehr nach Signalen in unserer Umgebung, die es uns erlauben, smarte Entscheidungen zu treffen, wem und in was wir vertrauen. Soll ich wirklich diesem Produkt, dieser Information vertrauen? Und wie kann mir ein Unter­nehmen ver­sichern, dass ich sicher bin und dass meine Privatsphäre geschützt ist? Ich glaube, dass das eine Chance für Unternehmen sein kann, nicht nur bessere Produkte und Services zu bauen, sondern sehr grundlegend darüber nachzudenken, welche ­Signale sie ihren potenziellen Kunden ­schicken, um vertrauenswürdig aufzutreten und sich von Mitbewerbern abzuheben.

„In neun von zehn ­Fällen geht es bei Unternehmens­krisen um ein Integritätsproblem.“

t3n Magazin: Glauben Sie, dass Blockchain dazu beitragen kann, wieder stärker in neue Technologien zu vertrauen?

Ich glaube nicht, dass Blockchain Vertrauen schafft, sondern eher, dass die Technologie die Notwendigkeit von Vertrauen ­reduziert. Darin sehe ich das eigentlich große Potenzial. Blockchain könnte in wenig vertrauensvollen Umgebungen sehr effektiv sein – wenn es zum Beispiel um Landbesitz in Ländern geht, in denen die Einwohner ein niedriges Vertrauen gegenüber den Behörden haben. Das ist der Bereich, der mich an Blockchain besonders ­interessiert: Wie kann man Werte in nicht vertrauens­vollen ­Situationen ­zwischen Partnern transportieren, die sich nicht vertrauen?

t3n Magazin: Können Menschen denn einem System vertrauen, das komplett auf Code basiert?

Es wird immer Menschen brauchen. Ich glaube nicht, dass wir mit Smart Contracts Anwälte los sind. So ein System kann ­einiges automatisieren. Aber es ist Quatsch, davon auszugehen, dass etwa die Justiz sich darauf reduzieren lässt. Es geht um ­Situationen, in denen Menschen bei Transaktionen eigentlich wenig ­beitragen können oder eine sehr starke Informations­asymmetrie vorherrscht. Die aktuelle Diskussion in Sachen Blockchain geht zu stark in Richtung Code und Kryptografie, anstatt über menschliches Verhalten zu sprechen. Hier kann die Blockchain ­unterstützen, um vertrauensvolle Bedingungen herzustellen. Solange wir uns aber nur auf Code und Zahlen konzentrieren, werden wir auch keine Mainstream-Anwendung auf der Blockchain haben.

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