In Abneigung vereint
Die berühmte Adelsfamilie Esterházy, ein riesiges Vermögen, eine angeblich entführte 88-Jährige: In Österreich spielt sich ein Familienzwist in aller Öffentlichkeit ab. Worum geht es?
AP
Esterházy – der Name hat in Österreich einen Klang wie kaum ein anderer. Die Esterházys sind eine der reichsten Familien des Landes. Es gibt eine Esterházy-Torte, Esterházy-Gemüse, diverse Esterházy-Fleischgerichte.
Und es gibt mehrere Esterházystraßen, etwa in Eisenstadt, Hauptstadt des österreichischen Bundeslandes Burgenland. Dort wurde am Dienstagnachmittag eine ältere Dame angeblich entführt: die 88-jährige Magdolna Theresia Ottrubay, Mitglied dieser Familie, die gerade mit ihrer Pflegerin spazieren ging.
Gegen 15.30 Uhr hielten zwei schwarze Limousinen neben ihnen, beide „vermutlich mit ausländischen Kennzeichen“, wie die Pflegerin später mitteilte. Aus einer seien eine Frau und ein Mann, aus der anderen eine Frau gestiegen. Eine der Frauen habe die Pflegerin zur Seite gestoßen und Ottrubay in einen der Wagen gesetzt. Anschließend seien die Autos davongebraust.
Zwist in Familie Esterházy: In besten Kreisen
Der Vorfall löste einen Großeinsatz aus, mehr als hundert Polizisten waren im Einsatz, es wurde über die Landesgrenzen hinaus gefahndet. Über die Identität des Opfers schwieg die Polizei „aus kriminaltaktischen und Opferschutz-Gründen“.
Die Namen Esterházy und Ottrubay kursierten aber schon bald. Schnell kamen zudem Zweifel auf, ob man tatsächlich von einer Entführung sprechen könne, ob es nicht eher um eine Fehde innerhalb der Familie gehe. Innenminister Herbert Kickl erklärte, es sei nicht sicher, „ob es sich um eine Entführung im klassischen Sinn handelt“. Die Polizei teilte nur mit, man ermittele „in alle Richtungen“.
„Meine Mutter ist mit mir freiwillig mitgekommen“
Einige Stunden später tauchte die betagte Dame wieder auf. Offenbar hatten die Insassen der beiden Limousinen die Radiomeldungen von der angeblichen Entführung mitbekommen. Sie waren auf dem Weg in die Schweiz – Magdolna Theresia Ottrubay ist Schweizerin. Ihre vermeintliche Entführerin war ihre eigene Tochter, die die Frau Mama nach Hause holen wollte.
Nach Hause, das bedeutet auch: weg von Stefan Ottrubay, dessen Mutter Magdolna Theresia ist und der das Esterházy-Vermögen als Generaldirektor der Esterházy Betriebe verwaltet. Mit dieser Aufgabe hatte ihn seine 2014 verstorbene Tante betraut, die Großgrundbesitzerin Fürstin Melinda Esterházy, geborene Ottrubay. Im vergangenen Jahr hatte Stefan Ottrubay seine Mutter aus der Schweiz zu sich nach Eisenstadt geholt.
Mutter und Tochter erschraken angesichts der Entführungsmeldungen im Radio und meldeten sich am späten Dienstagabend bei der Polizei in Kitzbühel. „Ich bin mit meiner Mutter hier. Meine Mutter ist mit mir freiwillig mitgekommen“, sagte die Tochter laut Staatsanwaltschaft. Magdolna Theresia Ottrubay, davon konnten sich die verwunderten Beamten überzeugen, war jedenfalls wohlbehalten und bestätigte die Angaben ihrer Tochter.
„Wir pflegen gänzlich andere Umgangsformen“
Welche Folgen diese Aktion hat, ist unklar. Die Polizei sieht keinen weiteren Ermittlungsbedarf, bei der Staatsanwaltschaft sei indes ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Freiheitsentziehung und der Nötigung anhängig, heißt es. Zeugen bestätigen allerdings, dass die Mutter freiwillig und ohne Zwang ins Auto gestiegen und mitgefahren sei.
Der Vorfall wirft jedenfalls ein Schlaglicht auf den Zwist innerhalb des Adelsclans. Er entzündete sich an der Frage, wer das Esterházy-Vermögen kontrolliert. Wie angespannt das Binnenverhältnis ist, zeigt eine Mitteilung. „Als Sprecher der fürstlichen Familie Esterházy lege ich Wert auf die Feststellung, dass auch dieser von den Behörden zu überprüfende Fall mit der Familie Esterházy NICHTS zu tun hat, und wir bitten insbesondere auch die Vertreter der Medien, die Familien Ottrubay und Esterházy zu unterscheiden“, schreibt der 33-jährige Paul-Anton Esterházy in einer Pressemitteilung.
„Wir pflegen gänzlich andere Umgangsformen – besonders mit betagten Damen, die wir gerne in den großen Familienverband integrieren – was uns übrigens hinsichtlich Melinda Esterházy schon damals durch sehr unübliche Maßnahmen verunmöglicht wurde.“
Die 2014 gestorbene Melinda war die Witwe des früheren Familienoberhauptes Paul Esterházy. Die Ehe war kinderlos geblieben. 2000 hatte Melinda Esterházy daher ihren Neffen Stefan Ottrubay zum Generaldirektor der Esterházy Betriebe GmbH gemacht. Seither hängt der Haussegen schief.
Ein Sprecher der Familie Ottrubay teilte mit, man bitte, die Privatsphäre zu respektieren. Die Familiensaga dürfte in den kommenden Tagen die Öffentlichkeit indes weiter beschäftigen, allein schon, weil die Pressemitteilung der Familie Esterházy keinen Hehl aus dem Zwist innerhalb des Clans macht – und weil es um viel Geld geht.
Denn zu verteilen gäbe es eine Menge. Zum Esterházy-Imperium gehören Schlösser, Burgen, Kunstschätze und Ländereien – etwa 44.000 Hektar. Laut der Zeitung „Standard“ wurde das Netto-Gesamtvermögen der Esterházy-Gruppe 2014 mit etwa 800 Millionen Euro bewertet. Der Zeitung zufolge waren dabei Schloss Esterházy in Eisenstadt oder die Burg Forchtenstein noch gar nicht eingerechnet.
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