Alle Jahre wieder: Frankreich am großen Blackout vorbeigeschrammt

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AKW Tricastin. Tricastin_Reacteur_2_Scram_25_10_2013_DSCN0630.jpg:Bild: Benji/CC0

In diesem Fall spricht die französische Energie-Regulierungskommission davon, dass auch europaweit die Netzfrequenz deutlich unter 50 Hz gesunken ist

Haben Sie davon gelesen, dass das französische und vermutlich auch das europäische Stromnetz am vergangenen späten Donnerstag kurz vor dem Zusammenbruch standen? Vermutlich nicht. Denn darüber wird praktisch nicht berichtet. Lapidar hat am Samstag in einer knappen Erklärung die Energie-Regulierungskommission (CRE) auf den Umstand hingewiesen, dass am vergangenen Donnerstag „gegen 21 Uhr die Frequenz im französischen und europäischen Stromnetz deutlich unter 50 Hz gefallen ist.“ Die CRE erklärt auch, was es bedeutet, wenn die Frequenz deutlich abfällt, denn dann könne es zu „bedeutsamen Ausfällen“, einem „Blackout“, kommen.

Die CRE bezieht sich dabei auf eine Mitteilung des Netzbetreibers RTE, der am Donnerstag die industriellen Großverbraucher im Land dazu aufgefordert hatte, „ihren Verbrauch sofort um mehr als 1500 Megawatt zu senken, um die Netzfrequenz zu erhöhen“. Dank der Reaktion habe man dazu beitragen können, die Netzstabilität in Frankreich und Europa zu sichern, heißt es in der kurzen Erklärung weiter. Die Energie-Regulierungskommission fordert den Netzbetreiber auf, mit den europäischen Partnern nach den Ursachen zu suchen und Korrekturvorschläge zu machen.

Besonders weit muss die CRE oder die RTE aber nicht schauen. Ein Blick über die Grenzen hinaus ist nicht notwendig. Die Situation in Frankreich ist schließlich alles andere als neu. Alle Jahre wieder steht das Land vor einem Blackout und droht das europäische Netz zum Kollabieren zu bringen. So weisen auch französische Medien auf die Vorgänge 2017 hin, als eine Kältewelle den Stromverbrauch auf Rekordwerte katapultiert hatte, da viele Menschen im Land mit Strom oft schlecht isolierte Häuser und Wohnungen heizen. Und regelmäßig werden deshalb auch Stromkunden, wie zum Teil vergangene Woche erneut, von den Versorgern aufgefordert, Strom zu sparen.

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Tatsächlich schwächelt der überalterte Atom-Kraftwerkspark schon seit längerem. Uralt-Meiler wie in Fessenheim sind nur deshalb noch am Netz, da es sonst noch schwieriger wäre, einen Blackout abzuwenden. Das Kraftwerk mit seinen beiden Meilern am Oberrhein nahe Freiburg soll nun aber im Sommer 2020 abgeschaltet werden. Ob das angesichts der Versorgungslage tatsächlich passiert, muss abgewartet werden. Schließlich war das die neunte Ankündigung die beiden ältesten Reaktoren des Landes endlich abzuschalten.

Erstaunlich ist der Fast-Blackout in Frankreich besonders deshalb, da am vergangenen Donnerstag fast alle Atommeiler, die nicht geplant abgeschaltet waren, in Betrieb waren. Nur Blayais 2 wurde, allerdings erst am Freitag, ungeplant abgeschaltet. Es waren vor allem konventionelle Kraftwerke, die allerdings nur zu etwa 20% zur Produktion beitragen, die zum Teil aus verschiedenen Gründen ausfielen. Zuvor waren auch Kohlekraftwerke bestreikt worden. Allerdings wurden sie angesichts der erwarteten Netzinstabilität zwangsweise schon vor dem Donnerstag wieder hochgefahren.

So zeigt sich, dass Frankreich strukturell massive Probleme hat. Die Stromproduktion kann, wenn es zu starkem Verbrauch zum Beispiel bei niedrigeren Temperaturen kommt, nicht garantiert werden. Und sogar das Streikrecht muss ausgehebelt werden, um einen Blackout zu verhindern. Und das passiert nun sogar, ohne dass eine starke Kältewelle über dem Land liegt. Angesichts der Situation, dass der Ausbau erneuerbarer Energien im Atomstromland über lange Jahre vollständig verschlafen wurde, ist auch fraglich, ob die Ankündigungen des neuen französischen Ministers für den ökologischen und solidarischen Übergang umgesetzt werden.

François de Rugy will nicht nur die beiden Meiler in Fessenheim bis Sommer 2020 schließen, sondern bis 2022 auch die vier Kohlekraftwerke abschalten. Die tragen zwar nur 2% zur Stromversorgung bei, aber es zeigt sich, dass inzwischen jedes Megawatt im Atomstromland zählt, das noch immer zu knapp 80% in altersschwachen Atommeilern erzeugt. Und bei der Renaissance der Atomkraft kommt Frankreich auch nicht voran, weshalb der Umweltminister die Abschaltungen in Fessenheim von der Inbetriebnahme von Flamanville entkoppelt hat. Dessen Inbetriebnahme wird seit vielen Jahren immer wieder verschoben, während die Kosten explodieren. (Ralf Streck)

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