Wir hatten nicht das Gefühl, politisch instrumentalisiert zu werden

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Anina F.: Am Ende des ersten Treffens. Bei unserem zweiten und dritten Treffen haben wir dann überlegt, was die beste Vorgehensweise wäre. Wir haben darüber nachgedacht, direkt an die Presse zu gehen, uns aber dagegen entschieden. Wir wollten erst einmal mit den Personen sprechen, die tatsächlich etwas in Hohenschönhausen verändern könnten – und das sind die zuständigen Politiker und Politikerinnen. Es ist ja auch ihre Aufgabe, dafür Sorge zu tragen, dass Sexismus und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz nicht stattfinden. Deswegen haben wir gemeinsam diesen Brief an die Antidiskriminierungsstelle, die Kulturstaatsministerin und die Senatsverwaltung für Kultur und Europa geschickt.

ZEIT ONLINE: Man würde annehmen, die Mühlen dort mahlen langsam.

Anina F.: Ich glaube, es war direkt am nächsten Tag, als sich die Senatsverwaltung für Kultur und Europa bei uns gemeldet hat, das Büro der Kulturstaatsministerin wenige Tage danach. Wir haben sofort einen Termin bei Klaus Lederer bekommen und kurze Zeit später auch im Büro von Monika Grütters. Nur von der Antidiskriminierungsstelle haben wir nie etwas gehört.

ZEIT ONLINE: Klaus Lederer gehört der Linken-Fraktion an. Während der Berichterstattung über den Fall Knabe hieß es mitunter, die Linken hätten die Sexismusvorwürfe politisch ausgenutzt. Was haben Sie bei dem Treffen mit dem Senator Klaus Lederer besprochen?

Anina F.: Er wollte sich ein sehr genaues Bild davon machen, wie die Situation für uns in Hohenschönhausen war und was dort passiert ist. Das ist alles sehr vertraulich und professionell abgelaufen und wir haben uns die ganze Zeit sehr ernst genommen gefühlt. Wir hatten nicht das Gefühl, politisch instrumentalisiert zu werden. In den Wochen darauf haben wir uns mit einer Anwältin getroffen, die der Senat für den Fall beauftragt hat. Wir alle mussten Berichte verfassen und konkret schildern, was wann passiert ist. Die Übergriffe und Belästigungen wurden in diesen Sitzungen von der Anwältin so genau wie möglich dokumentiert. Lederer hat dann eine außerplanmäßige Stiftungsratssitzung für den 25. September einberufen. Kurz vor diesem Termin haben wir eine Interviewanfrage von einem RBB-Journalisten angenommen, der bereits an einer Geschichte über Hohenschönhausen recherchierte. So kam die Geschichte an die Öffentlichkeit.

ZEIT ONLINE: Gab es zu irgendeinem Zeitpunkt auch die Überlegung, den Direktor Hubertus Knabe oder den Vizedirektor Helmuth Frauendorfer direkt anzusprechen und mit den Vorwürfen zu konfrontieren?

Anina F.: Einige Frauen unter uns haben bereits während oder am Ende ihres Arbeitsverhältnisses in der Gedenkstätte das Gespräch gesucht. Ich habe zum Beispiel Helmuth Frauendorfer darauf hingewiesen, dass ich mit ihm lieber inhaltlich und fachlich diskutieren möchte, statt Komplimente für mein Aussehen zu bekommen. Aber sein Verhalten hat sich danach nicht geändert. Ich habe natürlich nicht gesagt: „Sie sind sexistisch.“ Das habe ich nicht gewagt. In Hohenschönhausen herrscht so eine erniedrigende und eingeengte Atmosphäre, dass sich keine von uns getraut hat, Frauendorfer oder Knabe direkt zu konfrontieren. Auch die enge Freundschaft zwischen den beiden war ein Grund dafür, das Gespräch nicht zu suchen. Aber einige Frauen sind am Ende ihres Volontariats zum Personalrat gegangen.

ZEIT ONLINE: Warum sind Frauen oft nicht selbstbewusst genug, derartige Konfrontationen zu wagen?

Anina F.: Das Problem liegt nicht darin, dass Frauen oder andere nicht gleichberechtigte Personen wie People of Color und queere Menschen, nicht selbstbewusst genug sind. Es gibt ja genug Beispiele dafür, dass sie die Konfrontation gesucht haben, gerade im Rahmen der #MeToo-Bewegung. Es sollte eher danach gefragt werden, wie auf der Seite des Arbeitgebers besser damit umgegangen werden könnte. Warum wird Frauen oft nicht geglaubt? Es ist ja auch verständlich, dass viele nicht die Kraft haben, sich gegen jemand Mächtigeren zu stellen, vor allem, wenn sie sich noch in einem Arbeitsverhältnis befinden. Ich finde, es ist auch nicht die Aufgabe von Personen, die diskriminiert werden, das Gespräch und die Konfrontation zu suchen. Dafür gibt es Zuständige wie Frauen- oder Gleichstellungsbeauftragte oder den Personalrat. Außerdem bringt die Konfrontation offensichtlich nichts: Das sieht man daran, wie Knabe auf unsere Vorwürfe reagiert hat. Er hat sich bis heute nicht entschuldigt.

ZEIT ONLINE: Zwischenzeitlich sah es so aus, als ob Hubertus Knabe doch wieder als Direktor an die Gedenkstätte zurückkehren würde. Sind Sie erleichtert, dass das nicht passieren wird?

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