Autos abschaffen, Wald aufforsten, vegetarisches Essen – was muss der Mensch sofort tun, um die Erderwärmung zu stoppen? Neun führende Forscher antworten auf ZEIT ONLINE.
Um Treibhausgasemissionen zu reduzieren, muss sich der Verkehr weltweit verändern. Natürlich geht es nicht nur mit Fahrrädern, sondern vor allem mit CO2-freien Motoren. © Kevin Frayer/Getty Images
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Es geht so nicht weiter. Erwärmt sich die Erde bis zum Jahr 2100 um mehr als 1,5 Grad, sind die Folgen gravierend, unumkehrbare Klimaveränderungen würden sich in Gang setzen, wie der jüngste Sonderbericht des Weltklimarats IPCC zeigt.
Vom 3. bis 14. Dezember diskutieren Politikerinnen und Staatsvertreter auf einer Klimakonferenz daher wieder einmal, wie sich das 1,5-Grad-Ziel erreichen lässt.
Wir haben neun führende Klimawissenschaftler und -forscherinnen gefragt: Stellen Sie sich vor, Sie dürften allein bestimmen, was die Welt tun müsste, um die Erderwärmung zu begrenzen – ohne Verhandlungen, ohne politisches Gerangel und ohne Kompromisse: Was würden Sie jetzt sofort machen, würden Sie die Welt regieren?
„Eine CO2-Abgabe macht Technologien wie Wind oder Solar wettbewerbsfähig“
Brigitte Knopf, Generalsekretärin des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change,Berlin
Brigitte Knopf beschäftigt sich mit der Implementierung des Klimaabkommens von Paris. © MCC
Ich würde Länder, Unternehmen und Bürger nicht länger kostenlos Kohlendioxid (CO2) ausstoßen lassen, sondern sofort Kosten von 50 Euro für jede emittierte Tonne CO2 einführen. Damit würde jeder für die negativen Auswirkungen von fossilen Emissionen – Klimawandel, Luftverschmutzung oder Gesundheitsprobleme – zur Verantwortung gezogen. Eine CO2-Abgabe hat drei Effekte: Erstens bestraft sie den Verbrauch von Kohle, Öl und Gas gemäß des Kohlenstoffgehalts. Zweitens macht sie CO2-freie Technologien wie Wind oder Solar wettbewerbsfähig und sorgt für weitere finanzielle Förderung. Drittens generiert sie Einnahmen für Regierungen, die ich als Kopfpauschale zurückverteilen würde. Das würde vor allem ärmere Haushalte vor höheren Energiepreisen schützen und für einen sozial verträglichen Übergang sorgen. Untersuchungen des MCC zeigen, dass selbst ein niedriger Preis auf CO2 in vielen Ländern universellen Zugang zu sauberem Wasser und sanitären Einrichtungen finanzieren könnte (Nature Climate Change: Jakob et al., 2015). So würde Klimapolitik zu einer Erfolgsgeschichte.
„Wir müssen unser Agrarsystem verändern“
Angelika Hilbeck, Institut für Integrative Biologie der ETH Zürich, Schweiz
Angelika Hilbeck arbeitet an der ETH Zürich. © Privat
Die meisten Lebensmittel, die wir in Supermärkten kaufen, entstammen industrieller Landwirtschaft – vor allem in den entwickelten Ländern, aber zunehmend weltweit. Diese Form der Intensivlandwirtschaft basiert auf chemischen Mitteln und Praktiken, die energieintensiv und umweltschädlich sind. Sie trägt laut IPCC zu mehr als 20 Prozent der globalen menschengemachten Treibhausgasemissionen bei (IPCC, Working Group III: Mitigation, 2014). Deshalb müssen wir stattdessen agrarökologische Produktionssysteme nutzen. Das bedeutet, ökologische und soziale Konzepte in der Gestaltung von Lebensmitteln anzuwenden, die Bewirtschaftung umzustellen und diese Prinzipien in unseren landwirtschaftlichen Systemen zu befolgen.
Eine weitere Konsequenz: Mit einer verbesserten Landwirtschaft erhalten wir die Biodiversität, bewahren die Fruchtbarkeit unserer Böden und tragen somit dazu bei, die Menschheit zu ernähren. Das berichtete der UN-Menschenrechtsrat bereits 2010. Unsere Landwirtschaft kann so – statt zu einem Problem des Klimawandels – zu einem Teil seiner Lösung werden.
„Produkte sollten eine CO2-Kennzeichnung bekommen“
Per Espen Stoknes, Autor des Buches „What We Think About When We Try Not To Think About Global Warming: Toward a New Psychology of Climate Action“
Buchautor Per Espen Stoknes © Moment Studio
Weltweit sollten alle Produkte und Dienstleistungen mit einer klaren Kennzeichnung ihrer CO2-Emissionen und ihres ökologischen Fußabdrucks vermarktet und verkauft werden. Der Lebenszyklus des Produkts sollte für den Verbraucher vollkommen verständlich sein. Ob es sich um ein Produkt mit positivem, neutralem oder negativem Fußabdruck handelt, sollte ebenso hervorstechen wie der Kaufpreis. Und es sollte leicht nachvollziehbar sein, wo und wie die Produkte hergestellt wurden und wer sie hergestellt hat. Das könnte zum Beispiel mit Blockchain-Datenbanken möglich sein, die die Daten und den Weg des Produkts verfolgen und speichern. Dem Kunden würde es so leicht gemacht werden, sich in allen Märkten für umweltfreundlichere Produkte zu entscheiden, und es würde vermieden, dass Produkte mit einem nachhaltigen Label beworben werden können, ohne dass es eindeutige Beweise dafür gibt. Greenwashing wäre nicht mehr möglich.
„Wir brauchen Politiker, die unsere Interessen vertreten“
Michael E. Mann, Direktor des Penn State Earth System Science Center, Pennsylvania
Michael Mann ist Klimaforscher in den USA. © Patrick Mansell, Penn State
In den Vereinigten Staaten bieten wir derzeit mehr Subventionen für fossile Brennstoffe als für erneuerbare Energien. Das ist das Gegenteil von dem, was nötig ist. Wir brauchen Politiker, die unsere Interessen vertreten und nicht die Interessen der fossilen Brennstoffe. Im Moment wird die US-Regierung von letzteren geleitet. Mein Wunsch geht daher an die US-Amerikaner, die glauben, dass wir in Bezug auf das Klima handeln müssen: Machen Sie Ihre Stimme hörbar. Eine effektive Lösung muss sowohl persönliches Handeln als auch Regierungspolitik beinhalten. Aber Ersteres kann durch Letzteres gefördert werden, also sollten wir uns darauf konzentrieren, politisch Einfluss zu nehmen. Dazu gehört, klimafreundliche Politiker zu wählen. Das ist das Wichtigste, was wir im Moment tun können.
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