Wie Lisa Brennan-Jobs sich befreit

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Steve Jobs benannte den ersten Apple nach ihr, doch er verleugnete, dass sie seine Tochter war. In „Beifang“ sucht sie ihre eigene Wahrheit.


Lisa Brennan-Jobs hat den größten Teil ihrer Kindheit bei der Künstler-Mutter verbracht. Steve Jobs kam ab und zu vorbei.Foto: Lisa Brennan-Jobs/Berlin Verlag

Was für ein Kontrast. In Habachtstellung sitzt sie da, in den wenigen Fernsehinterviews, die sie zum Erscheinen ihrer Memoiren gibt. Das schwarze Kleid hochgeschlossen, die Haare zum Knoten gerafft. Eleganz als Schutzuniform. Zögernd beantwortet Lisa Brennan-Jobs die Fragen über ihre harschen Erinnerungen an die Kindheit als uneheliche Tochter von Steve Jobs.

An diesem New Yorker Morgen, zwei Monate später, wirkt alles an ihr gelöst. Die langen dunklen Haare fallen ihr weich über die Schulter, das T-Shirt sitzt locker. Im kleinen Arbeitszimmer hat die 40-Jährige ein Bein unter den Po geschoben, im Hintergrund ist ihre Küche zu sehen.

Sprudelnd erzählt sie von der Lesereise, von der sie gerade zurückgekehrt ist, vom Auftritt an ihrer alten High School im kalifornischen Palo Alto. Ihr erster Freund war da, ihre Lehrer, ihr Therapeut, zu dem sie im Alter von neun Jahren kam. „Alle, alle! Es fühlte sich an wie eine Mitzwa, eine Segnung – ich weiß gar nicht, warum mir das Wort einfällt, ich bin nicht mal jüdisch –, wie eine Hochzeit, ein Geburtstag, eine Überraschungsparty, alles auf einmal. Man sitzt beim Schreiben sooo lange in einer dunklen Höhle, und dann ans Licht zu kommen und es ist okay – das war fast zu gut, um wahr zu sein!“ Ihre Freude und Erleichterung sind noch aus der Distanz von 6381 Kilometern beim Skypeinterview zu greifen.

Bei Familienfotos wurde sie gebeten, zur Seite zu treten

„Beifang“ ist ein literarisches Buch, stechend scharf in Szenen geschrieben. Man kann es hören, das Schweigen, in das Steve Jobs immer wieder ausdauernd verfällt, wenn er mit seiner Tochter zusammen ist. Kann das Rosenspray riechen, mit dem sie sich einsprüht, wonach der Vater sagt, sie dufte nach Klo. Brutale Szenen. Der Rhythmus der Beziehung lautet: Ranlassen – Wegstoßen.

Ein paar Kritiker haben „Beifang“ als Abrechnung mit dem berühmten Vater missverstanden. Dabei geht es um etwas anderes: die eigene Wahrheit zu finden, die eigene Perspektive zu schildern. Sich in das Bild zu setzen, aus dem Lisa Brennan-Jobs oft genug ausgeblendet wurde. Bei Familienfotos wurde sie schon mal gebeten, zur Seite zu treten. In Interviews erzählte der von vielen Vergötterte, dass er mit seiner Frau und den drei Kindern in Kalifornien lebte. Als gäbe es die älteste Tochter nicht. Gleichzeitig wurde sie zur öffentlichen Figur. Kam in Jobs-Biografien vor, in Filmen, von denen der berühmteste jener mit Michael Fassbender ist, in der die verleugnete Lisa eine zentrale Rolle spielt. Hat sie alles nicht angeschaut, wie sie sagt. Mit einer Ausnahme: Den Roman ihrer Tante Mona Simpson hat sie gelesen, der das Verhältnis zwischen Vater und Tochter Jobs zwar fiktionalisiert, aber mit vielen erkennbaren Details beschreibt. Lisa fühlte sich betrogen und bestohlen.

Der DNA-Test fiel eindeutig aus

Im Hintergrund krächzt das Babyphone. „Oh, sorry, muss ich ausstellen.“ Der Babysitter ist oben beim fünf Monate alten Thomas Steven. Thomas wie Thomas Mann, hat eine Zeitung geschrieben. Stimmt nicht, sagt sie, auch wenn sie und ihr Mann gerne den „Zauberberg“ gelesen haben, ihnen gefiel einfach der Klang. Steven wie ihr Vater.

Der hat seinen ersten Computer, den Vorläufer des Macintosh, Lisa genannt. Nach seiner Tochter, auch wenn er dies jahrzehntelang leugnete. Ausgerechnet Bono, nicht mehr als ein entfernter Bekannter, erzählte Jobs beiläufig die Wahrheit. Die 27-jährige Lisa saß daneben. Bis dahin hatte er es ihr gegenüber immer abgestritten.

Steve Jobs und Chrisann Brennan, für beide war es die erste große Liebe. Als Schüler zogen sie zusammen, drifteten auseinander, fuhren getrennt nach Indien, kamen wieder zusammen, auseinander, on, off, on. Mit 23 wurde Brennan schwanger. Sie war nicht bereit, ein Kind zu bekommen. Steve Jobs noch weniger. Drei Tage nach der Geburt flog das Computergenie nach Oregon, suchte zusammen mit Brennan den Namen fürs Baby aus und verschwand wieder aus ihrem Leben. Jobs, selber Adoptivkind, leugnete die Vaterschaft. Nach ein paar Jahren schickte ihn das Sozialamt zum DNA-Test, der eindeutig ausfiel, und verpflichtete den Geschäftsmann zur Zahlung von 385 Dollar im Monat, die er auf 500 Dollar aufrundete. Kurz danach ging Jobs mit Apple an die Börse.

Er war geizig mit Gefühlen und Geld

„Ich war“, sagt Lisa Brennan-Jobs, „der Schandfleck auf seiner Vita.“ Sie beugt sich vor, um Hängeohringe vom Schreibtisch zu schnappen, ruft zwischendurch „Moment! Ich brauch’ was zu essen“, springt auf und holt sich Nüsse, sagt „das ist mein Mann“, als dieser in die Küche kommt, um sich ein Brot zu schmieren, und über etwas lacht, was sie sagt. Sie fühlt sich so offensichtlich zu Hause, dass es einem nach der Lektüre des Buches fast das Herz zerreißt.

Die meiste Zeit ihres Lebens hat sie kein festes Zuhause gehabt. Mit der sensiblen, aber überforderten Mutter hat sie ein Nomadenleben geführt, von einem billigen Haus zum nächsten. Die Künstlerin hatte nie Geld, und wenn sie welches hatte, gab sie es sofort aus. Lisa war acht, als der Vater wieder auftauchte – nachdem er aus seiner eigenen Firma rausgeschmissen worden war –, sich ein bisschen zu kümmern begann. Sie fuhren Rollschuh. Ab und zu hat sie bei ihm übernachtet, später in der Pubertät einige Jahre bei ihm gelebt. Aus Lisa Brennan wurde ganz offiziell Lisa Brennan-Jobs. Ein Pendeln zwischen einem Hippie-Haushalt ohne Geld und einer glamourösen Villa fast ohne Möbel. Bauhaus-Fan Jobs hatte es gern karg, am fanatischsten bei seiner Ernährung, die vorzugsweise aus rohem Gemüse bestand. Als geizig beschreibt sie ihn. Geizig mit Worten, Essen und Aufmerksamkeit, mit Gefühlen und Geld.

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